1) Nach dem Gesetz müssen enge Angehörige eine Mindestteilhabe am Nachlass des Erblassers erhalten. Dies ist der Pflichtteil. Der Pflichtteilsanspruch ist gerichtet auf Zahlung eines Geldbetrages, dessen Höhe dem halben Wert des dem Pflichtteilsberechtigten durch Testament entzogenen Erbteils entspricht. Pflichtteilsberechtigt sind der Ehegatte sowie die erbberechtigten Abkömmlinge. Hat der Erblasser mehrere Abkömmlinge, z.B. Sohn und Enkel, ist nur der Sohn als nächster Verwandter erbberechtigt. Zu den Abkömmlingen zählen auch die nichtehelichen und adoptierten Kinder. Sind Abkömmlinge nicht vorhanden, sind auch die noch lebenden Eltern pflichtteilsberechtigt, nicht jedoch Bruder und Schwester.
2) Der Erbe muss von Gesetzes wegen selbst nichts unternehmen. Es bleibt dem Pflichtteilsberechtigten überlassen, ob er den Pflichtteil geltend macht oder nicht. Der Anspruch verjährt in drei Jahren.
Der Pflichtteilsanspruch muss geltend gemacht werden. Davor ist er weder abtretbar noch pfändbar. Allerdings kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof die Sozialbehörde anstelle des Harzt-IV-Empfängers den Pflichtteils selber geltend machen.
3) Nicht selten ist das Verhältnis zwischen Erbe und Pflichtteilsberechtigtem verkrampft. Stehen diese in losem Kontakt, kann es zur Entkrampfung führen, wenn der Erbe von sich aus zu erkennen gibt, dass er den Anspruch anerkennt.
4) Moralische Einwände des Erben sind unbeachtlich. Dem nichtehelichen Sohn steht der Anspruch zu, ganz gleich, ob er irgendeinen Kontakt zu seinem Vater in der Vergangenheit hatte. – Hat z.B. der Sohn die Beziehungen zu seinem Vater 5 Jahre vor dessen Tod abgebrochen, weil der Vater nochmals geheiratet hat, so kann die Witwe den Pflichtteil nicht deshalb verweigern, weil der Sohn noch nicht einmal seinen Vater im Krankenhaus vor dessen Tod besucht hat. – Der Erbe kann die Zahlung verweigern, wenn der Pflichtteilsberechtigte erbunwürdig ist (Einzelheiten vgl. Erbunwürdigkeit) oder wenn der Pflichtteilsberechtigte zuvor wirksam durch Vertrag auf seinen Pflichtteil verzichtet hat. Vorsicht ist geboten, wenn der Erbe sich auf die Entziehung des Pflichtteilsrechts im Testament des Erblassers beruft. Hier sollte Fachberatung eingeholt werden. Im Einzelfall kommt es darauf an, ob überhaupt ein wirksamer Entziehungsgrund vorlag und ob der Pflichtteilsberechtigte sich auf Verzeihung berufen kann (Einzelheiten vgl. Pflichtteilsentziehung).
5) Der Erbe muss dem Pflichtteilsberechtigten ein Nachlassverzeichnis übergeben. Befinden sich im Nachlass Grundstücke, sind entsprechende Gutachten beizufügen, die allerdings keine bindende Wirkung haben. Erbe und Pflichtteilsberechtigter sollten sich auf einen bestimmten Gutachter einigen. Bei Bankguthaben oder sonstigem von der Bank verwalteten Vermögen sollte der Erbe sich von der Bank eine Kopie der an das zuständige Finanzamt gerichteten Kontrollmeldung geben lassen und diese dem Pflichtteilsberechtigten zur Verfügung stellen. Bankbelege müssen allerdings nach allgemeiner Ansicht nicht übergeben werden.
In dem Nachlassverzeichnis sind die Aktiva detailliert aufzuführen, ebenso die Passiva (Nachlassverbindlichkeiten, z.B. Erbscheinskosten, Beerdigungskosten). Der Erbe sollte angemessene Fristen nicht unbeachtet lassen. Der Pflichtteilsberechtigte kann nämlich seinen Auskunftsanspruch gerichtlich durchsetzen. Wird der Pflichtteilsberechtigte von einem Rechtsanwalt betreut, muss damit gerechnet werden, dass dieser nicht lange abwartet und Stufenklage erhebt (Einzelheiten vgl. Stufenklage). In vielen Fällen trägt der Erbe die anfallenden Anwalts- und Gerichtskosten; auf jeden Fall sollten solche Kosten vermieden werden.
6) Im Hinblick auf etwa bestehende Pflichtteilsergänzungsansprüche wird der Erbe auch gefragt, welche Schenkungen er in den letzten 10 Jahren vom Erblasser erhalten hat und welche Schenkungen gegenüber anderen Personen vorgenommen wurden (Einzelheiten vgl. Pflichtteilsergänzungsanspruch). Für den Erben wiederum ist es wichtig zu wissen, ob der Pflichtteilsberechtigte zu Lebzeiten vom Erblasser Zuwendungen erhalten hat, bei denen der Erblasser angeordnet hatte, dass der Pflichtteilsberechtigte sich den Wert auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen muss. Der Erbe sollte deshalb in den Nachlassunterlagen nachschauen, ob sich darin Abschriften über Zuwendungsverträge befinden bei denen die Pflichtteilsanrechnung angeordnet worden ist, z.B.: „Die Überlassung erfolgt unentgeltlich, jedoch in Anrechnung auf die Pflichtteilsansprüche des Erwerbers am künftigen Nachlass des Übergebers.“
7) Wer als Erbe einen Rechtsanwalt beizieht, muss in aller Regel die anfallenden Anwaltsgebühren selbst tragen. Es empfiehlt sich, mit dem Rechtsanwalt vorher abzuklären, in welcher Höhe Gebühren anfallen. Rechtsschutzversicherungen übernehmen in der Regel lediglich eine Beratungsgebühr. Mitunter werden auch noch weitere Nebenleistungen übernommen.